Am Alexanderplatz traf ich gestern einen jungen Mann höhsten Mitte 20. Sein Schild stach von weitem schon ins Auge "Für Weed" stand groß darauf. "Klare Ansage", lachte ich, als ich mich ihm nährte. "Hey" sagte ich, "Was geht" fragte er, "so ein Barett hatt ich auch mal nur in rot", fing ich an und ließ einpaar Münzen hineinfallen. Bund ist nicht Seins und überhaupt dieser ganze Verein, Menschen töten usw. nicht sein Ding, sagte er. Darum ging es mir auch nie, antwortete ich aber gestand, dass genau dies glücklicherweise für die meisten Berliner Gesprächspartner in der Hinsicht die Erstassoziation ist. Hatte zu dem Zeitpunkt nix besseres zu tun und dachte etwas Disziplin würde mir ganz gut tun, schloss ich damit ab. Man kann sich das Leben auch unnötig selber schwer machen, sagte er und wir lachten. Das waren auch die letzten Worte meines Fahrlehrers erinnerte ich mich laut, aber hatte trotzdem bestanden. Wie es wohl ist am Alexanderplatz zu schnorren fragte ich mich. "Setz Dich doch" sagte er und während ich im Schneidersitz sinkend neben Ihm die gleiche Perspektive wahrnahm, packte er sein Handy weg, ein Browserspiel war es nicht, viel Display-Text erkannte ich. Erst jetzt wo ich selbst zur Ruhe kam, bemerkte ich wie hektisch die Leute auf Ihren Wegen zu Ihren Zielen unterwegs warn. Hattest Du schon mal Ärger wegen deinem Schild wollte ich wissen. Nicht das er sich erinnere antwortete er, er sitzt doch nur ganz friedlich, die meisten wollen seine Nachricht gar nicht lesen, aber vor den Nebelkrähen musst Du Dich schützen. "Nimmst Dir grad ne Auszeit oder so", fragte ich sehr direkt. Nein, er genieße mit jedem Atemzug seine Freiheit sagte er, die weiß man erst richtig zu schätzen nachdem sie Dir geraubt wurde. Oft werde ich von meinem Antrieb erdrückt sagte ich, ganz ehrlich wie schaffst du das zu ignorieren, interessierte es mich. Er habe auch mal studiert und wollte ein "normales" Leben zu schätzen wissen. Doch es kam alles anders, das Schicksal schlug ihm hart ins Gesicht und ich erkannte seine unsichtbaren Narben. Er hat jetzt seinen Frieden gefunden und auch wenn er sich sein Zimmer oftmals mit Fremden teilen muss, so sei er doch zumindest sicher darüber, im Inneren wahres Glück zu empfinden und das erkauft man nicht. Eine dunkelhaarige Frau kam vorbei, schmiss ihm ein paar Münzen in sein Barett und grinste Ihn dabei breit an. So fühlt es sich also an, nix besonderes, aber auch nicht besonders toll. Wie ist es mit deiner Familie fragte ich nach, sehen sie Dich hier nicht vielleicht mal sitzen, würd Dich das 'störn? Meine Mutter erkennt mich wahrscheinlich gar nicht sagte er. Die Sonne kam zwischen den Wolken hervor, die Reflexion des Alexanderturms in den Kaufhäuserfenster ließ den Alex etwas heller werden. Es ist nunmal so wie es ist, er lebt in den Tag hinein ohne große Erwartung ohne großartigen Plan. Wenn er hunger hat dann isst er, bei Müdigkeit schläft er, auf Parties feiert er, braucht er Geld sitzt er hier. Hast Du keine Wünsche, Träume für dessen Erfüllung es sich für Dich zu kämpfen lohnt? Zwar sind das sehr direkte Fragen, aber ich wusste er war damit einverstanden. Es kommt doch sowieso immer anders, sagte er. Vor ein paar Jahren wäre er der Letzte gewesen der hier gerne freiwillig sitzen wollen würd'. Heute hat er diese Dinge nicht nur akzeptiert sondern ist weit darüber hinaus. "Fünf-Minuten Plan, statt Fünf-Jahres Plan" erklärte er seine Devise. Er spielte einen Pass, hättest Du damit gerechnet mit einem Schnorrer heute am Alex über diese Dinge zu sprechen? Nein, antworte ich, gut das ich raus gegangen bin sonst wäre das sicher nicht passiert, kam mein Steilpass zurück. Er lachte und wir gaben uns die Faust während ich langsam wieder aufstand. "Das gilt auch für mich" sagte er, "ich war schon vor Dir hier" und schoss jetzt das Tor. Unentschieden, sagte ich. Erste Halbzeit, konterte er. Später kam ich noch mit einem Kaffee zurück um ihn ein wenig vor der Kälte zu schützen. "Danke", sagte er, aber den Zucker bräuchte er nicht. Ich bedankte mich auch, cooler Typ.
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Mai 2020
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